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Rechtspopulisten

Umfragen zufolge nimmt der Rassismus in Europa zu. Misst die EU dieser Entwicklung zu wenig Bedeutung bei? Dass Rechtsextremisten in Deutschland im Verlauf eines Jahrzehnts fast ungehindert morden konnten, lässt dort Politik und Gesellschaft in einen Abgrund blicken.

Die englische Denkfabrik DEMOS befragte 10 000 Personen in Großbritannien, die in entsprechenden Internetforen aus ihren rassistischen Neigungen keinen Hehl machen. Es handelte sich vor allem um männliche Jugendliche, die, selbst oft arbeitslos, die Verbreitung des Islam befürchten und Einwanderer generell ablehnen. DEMOS-Mitarbeiter Jamie Bartlett meint, dass “viele Menschen hinter der Angst vor dem Islam andere Ängste verbergen. Denn die Realität zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der europäischen Muslime friedliebende Demokraten sind. Sie sind stolz darauf, europäische Muslime zu sein. In den Medien aber werden sie oft als fanatische Extremisten dargestellt.”

In fast allen Staaten Europas gehören rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien mittlerweile wieder zum alltäglichen Erscheinungsbild der Politik. In Frankreich erfreut sich die rechtsextreme Front National unter ihrer neuen Vorsitzenden Marine Le Pen wieder verstärkten Zulaufs. In den Niederlanden ist die rechtspopulistische und anti-islamische Partei von Geert Wilders die drittstärkste politische Kraft im Parlament. Auch die Mitgliederzahlen offen rassistischer Gruppen nehmen rapide zu. Die “Englische Verteidigungsliga” verbreitet radikale Islamfeindlichkeit und zählt Tausende Mitglieder.

“Diese Randgruppen werden immer größer”, sorgt sich die niederländische Europaabgeorndete Emine Bozkurt, die als türkischstämmige Politikerin besonders hellhörig für rassistische Entwicklungen ist. Besonders erschreckend findet sie, dass legale Rechtsparteien den Diskurs dieser radikalen Gruppen unterdessen immer häufiger übernähmen und auch versuchten, ihn in die Praxis umzusetzen.

http://de.euronews.net/2011/12/08/rassismus-bedroht-europa/

Niederlage der SVP-Hardliner

Paul Rechsteiner, Vorsitzender des Gewerkschaftsbundes, setzte sich in St. Gallen gegen SVP-Chef Brunner durch.

Bei den Parlamentsnachwahlen hat sich der Abwärtstrend der rechtspopulistischen Volkspartei bestätigt

Die letzten Nachwahlen zum Schweizer Parlament haben am Sonntag die Niederlage der rechtspopulistischen Volkspartei (SVP) besiegelt: Auch bei den Ständeratswahlen in fünf Kantonen konnte sie nur einen Sitz erobern; ihre Spitzenkandidaten Christoph Blocher in Zürich, Parteichef Toni Brunner in Sankt Gallen und Ulrich Giezendanner in Aargau scheiterten. Bloß im erzkonservativen Innerschweizer Kanton Schwyz holte sie einen zusätzlichen Ständeratssitz.

„Die SVP hat hoch gepokert und verloren“ , so kommentierte die Neue Zürcher Zeitung am Montag das Wahlresultat und folgerte, „die SVP hat in diesem Wahljahr vor allem ihre Gegner mobilisiert.“ Diesmal reagierten die anderen Parteien in der Tat kämpferischer auf den kompromisslosen Konfrontationskurs der SVP, welcher dieser vor vier Jahren noch einen beispiellosen Wahltriumph eingetragen hatte.

Zehn Sitze verloren

Das Fazit nach dem letzten Wahlsonntag: Im 246-köpfigen Parlament in Bern (200 Sitze im Nationalrat, 46 im Ständerat) stellt die SVP künftig noch 59 Abgeordnete – das sind zehn weniger als bisher. Die Sozialdemokraten haben sechs Sitze dazugewonnen und sind nun mit 57 Sitzen fast gleichauf. Die traditionellen Parteien der bürgerlichen Mitte, Christdemokraten und Freisinnig-Liberale, konnten bei den Nachwahlen ihre Position halten.

Im Ständerat hat jeder Kanton zwei Sitze, die im Majorzsystem vergeben werden; dies bedeutet, dass nur Kandidaten eine Chance haben, die über ihre eigene Partei hinaus Wählerinnen und Wähler ansprechen können. Und das ist den polarisierenden Hardlinern von der SVP diesmal sogar noch schlechter gelungen als vor vier Jahren: Ihre Schwergewichte sind alle unterlegen, die SVP büßte auch im Ständerat zwei Sitze ein.

Am brisantesten ist sicherlich die überraschende Niederlage von SVP-Chef Brunner in Sankt Gallen: Er unterlag in seinem durch und durch bürgerlich geprägten Heimatkanton dem Sozialdemokraten Paul Rechsteiner, der sich als Vorsitzender des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes und als Anwalt beharrlich für das Wohl der „kleinen Leute“ , für Arbeitnehmer und Rentner einsetzt und der in Bern seit 25 Jahren als kämpferischer Sozialdemokrat im Nationalrat politisiert. Dass ein Gewerkschaftschef den SVP-Parteiführer besiegt, ist umso bemerkenswerter, als die Sozialdemokraten in Sankt Gallen im 20. Jahrhundert bloß zweimal einen Ständerat stellen konnten.

Im Kanton Zürich erzielte der frühere Justizminister Christoph Blocher nur halb so viele Stimmen wie der amtierende liberale Ständerat Felix Gutzwiller, und auch der grünliberalen Verena Diener musste er sich klar geschlagen geben. Die SVP zog mit Blocher allein und ohne Unterstützung durch andere Parteien in den Wahlkampf, was sich nun als chancenloses Unterfangen erwiesen hat. Bereits eine Woche zuvor war im Kanton Bern gar ein amtierender SVP-Ständerat abgewählt und durch einen gemäßigten Sozialdemokraten ersetzt worden.

Die Aussichten der SVP, einen zweiten Regierungssitz zurückzuerobern, sind nach diesem Wochenende nicht gestiegen. Am 14. Dezember wählt das Parlament den Bundesrat, die siebenköpfige Regierung, neu; und Kandidaten, die nicht einmal in ihren Heimatkantonen mehrheitsfähig sind, werden es auch im Parlament kaum sein. (Klaus Bonanomi aus Bern/DER STANDARD, Printausgabe, 29.11.2011)