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Wirschaft

DüsseldorfFührende Ökonomen in Deutschland bezweifeln, dass die Beschlüsse des EU-Gipfels zu einer Stabilisierung der Märkte beitragen. Ob Schuldenbremsen überhaupt funktionieren sei mehr als zweifelhaft, in jedem Fall bedürfe es Zeit, sie zu implementieren, sagte der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, Handelsblatt Online. „Zugleich wird die hiermit verbundene restriktive Fiskalpolitik die zu erwartende Rezession im Euro-Raum verschärfen.“ Horn hält zudem den politischen Schaden durch die Nicht-Einbeziehung Großbritanniens für immens. „Alles zusammen weckt kein Vertrauen, sondern Zweifel“, sagte Horn und fügte hinzu: „Kurzfristig kann ohnehin nur eine Intervention der EZB helfen.“

Auch der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Ferdinand Fichtner, reagierte enttäuscht. „In der Bekämpfung der akuten Krise ist die Politik keinen Schritt weitergekommen“, sagte Fichtner Handelsblatt Online. „So wurde weder eine Vergrößerung des Rettungsschirms noch eine verstärkte Intervention der Europäischen Zentralbank signalisiert. Nur so könnten aber die akuten Liquiditätsprobleme der südeuropäischen Volkswirtschaften überzeugend gelöst werden.“

Der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Kai Carstensen, wies auf die zahlreichen Risiken hin. Die Gipfel-Ergebnisse seien „nicht viel mehr als Absichtserklärungen“, die zudem noch von den beteiligten Ländern ratifiziert werden müssten, während die finanziellen Zusagen der EU-Staaten an den IWF über weitere 200 Milliarden Euro innerhalb von 10 Tagen umgesetzt würden. „Dieses Missverhältnis stimmt sehr nachdenklich“, sagte Carstensen Handelsblatt Online.

Darüber hinaus hätten die Staats- und Regierungschefs angekündigt, dass zum einen die Obergrenze für die Rettungskapazität des Rettungsfonds EFSF und des Dauer-Rettungsschirms ESM überprüft werden solle. Zum anderen solle die im ESM zumindest prinzipiell vorgesehene Möglichkeit, private Investoren an Verlusten von Staatsanleihen zu beteiligen, deutlich reduziert werden. „Es soll also die Haftung durch die Steuerzahler erhöht und die Haftung durch die Investoren beschränkt werden. Damit wird das Haftungsprinzip, ein Grundpfeiler der Marktwirtschaft, verletzt“, kritisierte der Ifo-Ökonom. Deutschland habe damit einmal mehr zusätzliche finanzielle Risiken übernommen.

 

 

http://www.handelsblatt.com/politik/international/oekonomen-zerpfluecken-merkozys-rettungsplan/5941280.html

(Berlin/Paris – 5. Dezember 2011) In Deutschland ist die Einkommensungleichheit seit 1990 erheblich stärker gewachsen als in den meisten anderen OECD-Ländern. In den 80er und 90er Jahren gehörte das Land zu den eher ausgeglichenen Gesellschaften, inzwischen liegt es nur noch im OECD-Mittelfeld. Das geht aus der Studie „Divided we stand – Why inequality keeps rising“ hervor, die heute von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung veröffentlicht wurde. Mit durchschnittlich 57.300 Euro verdienten die obersten zehn Prozent der deutschen Einkommensbezieher im Jahr 2008 etwa achtmal so viel wie die untersten zehn Prozent (7400 Euro). In den 90ern lag das Verhältnis noch bei 6 zu 1, der aktuelle OECD-Durchschnitt ist 9 zu 1.„Divided we stand“ geht den Ursachen steigender Ungleichheit auf den Grund. Die Studie widerlegt die Annahme, dass Wirtschaftswachstum automatisch allen Bevölkerungsgruppen zugutekommt und, dass Ungleichheit soziale Mobilität fördert. „Zunehmende Ungleichheit schwächt die Wirtschaftskraft eines Landes, sie gefährdet den sozialen Zusammenhalt und schafft politische Instabilität – aber sie ist nicht unausweichlich“, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría. „Wir brauchen eine umfassende Strategie für sozialverträgliches Wachstum, um diesem Trend Einhalt zu gebieten.“

Im OECD-Schnitt stiegen die verfügbaren Haushaltseinkommen in den beiden Jahrzehnten vor der Finanz- und Wirtschaftskrise um 1,7 Prozent jährlich. Die größten Gewinne machten dabei zumeist Gutverdienerhaushalte. In Deutschland ist diese Entwicklung besonders ausgeprägt: Insgesamt wuchsen die realen Haushaltseinkommen hier um 0,9 Prozent pro Jahr – in der untersten Einkommensklasse kam davon allerdings lediglich eine Steigerung von 0,1 Prozent an, während die zehn Prozent der am besten verdienenden Haushalte ihr Einkommen um 1,6 Prozent steigern konnten.

Die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich geht vor allem auf die Entwicklung der Löhne und Gehälter zurück. Diese machen etwa 75 Prozent des Haushaltseinkommens aus. In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Lohnschere zwischen den obersten und untersten zehn Prozent der Vollzeitarbeitenden um ein Fünftel erweitert. Aber auch zunehmende Teilzeitbeschäftigung ist ein Faktor, der zur Einkommensungleichheit beiträgt: Seit 1984 ist der Anteil der Teilzeitarbeiter in Deutschland von 11 auf 22 Prozent gestiegen, das heißt von knapp drei auf mehr als acht Millionen Menschen. Häufig handelt es sich hierbei um Frauen, die noch immer weniger Lohn erhalten als ihre männlichen Kollegen. Hinzu kommt eine Veränderung von Arbeitszeiten: Kamen deutsche Geringverdiener vor 20 Jahren im Durchschnitt noch auf 1000 Arbeitsstunden pro Jahr, so hat sich ihre Arbeitszeit jetzt auf 900 Stunden reduziert. Menschen aus den oberen Einkommensklassen hingegen arbeiten weiterhin rund 2250 Stunden pro Jahr.

Auch sozialer Wandel verstärkt die Einkommensunterschiede. So gibt es zum Beispiel immer mehr Alleinerzieher- und Single-Haushalt mit entsprechend niedrigem Einkommen. Auf der anderen Seite finden immer mehr Paare in der gleichen Einkommensgruppe zusammen, so dass sich gute Verdienste potenzieren: Das traditionelle Modell „Chefarzt heiratet Krankenschwester“ ist auf dem Rückzug.

In der OECD nutzen viele Regierungen Steuern und Sozialtransfers, um die Einkommensungleichheit abzuschwächen. Die umverteilende Wirkung solcher Systeme ist in Deutschland relativ groß: Im Jahr 2008 verminderten Steuern und Transfers die Ungleichheit hierzulande um knapp 29 Prozent, verglichen mit 25 Prozent im OECD-Mittel.

Komplett verhindern konnte das deutsche Steuer- und Transfersystem das Auseinanderdriften von Arm und Reich allerdings nicht. Erstens verringerte sich der Umverteilungseffekt von Steuern und Sozialleistungen seit dem Jahr 2000 um vier Prozentpunkte, und zweitens gingen Unterstützungsleistungen, wie zum Beispiel Arbeitslosengeld, merklich zurück (wenngleich das Niveau im internationalen Vergleich weiterhin relativ hoch ist).

Die Autoren von „Divided we stand“ erläutern verschiedene Wege, die den Trend zu größerer Ungleichheit stoppen und sogar umkehren können. Mehr Menschen in Lohn und Brot zu bringen und hochwertige Arbeitsplätze mit echten Karriereaussichten zu schaffen, verspricht dabei die größten Erfolge. Eine Voraussetzung dafür sind Investitionen in das Potenzial der Arbeitskräfte. Mehr und bessere (Aus)Bildung wäre laut Studie das einzige Mittel, die Lohnungleichheit zu begrenzen und gleichzeitig die Beschäftigungsraten zu erhöhen. Bildungsoffensiven müssen in der frühen Kindheit beginnen und während der gesamten Schulpflicht aufrechterhalten werden. Auch nach dem Einstieg ins Berufsleben sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber angehalten werden, in Weiterbildung zu investieren.

Direkten, wenn auch nur mittelfristigen, Einfluss auf die Umverteilung können Regierungen über Steuer- und Sozialreformen nehmen. Eine Option wäre, die Einkommenssteuer progressiver zu gestalten. Auch Maßnahmen zur Eindämmung der Steuerflucht, die Abschaffung von Steuererleichterungen für Besserverdienende oder der Ausbau von Steuern auf Vermögen und Grundbesitz können zu einer besseren Umverteilung von Einkommen beitragen. Gleichzeitig sind staatliche Transferzahlungen wichtiger als je zuvor, um die anhaltenden – und durch die Rezession oft verschärften – Verluste für Menschen mit niedrigem Einkommen auszugleichen.

http://www.oecd.org/document/62/0,3746,de_34968570_34968855_49119358_1_1_1_1,00.html

Income inequality growing faster in UK than any other rich country, says OECD

Top 10% have incomes 12 times greater than bottom 10%, up from eight times greater in 1985, thinktank’s study reveals

Protesters against income inequality in London. The OECD said the share of the top 1% had increased from 7.1% in 1970 to 14.3% in 2005.

Income inequality among working-age people has risen faster in Britain than in any other rich nation since the mid-1970s owing to the rise of a financial services elite who through education and marriage have concentrated wealth into the hands of a tiny minority, according to a new report by the OECD.

Economists from the thinktank, which is funded by developed world taxpayers, say the annual average income in the UK of the top 10% in 2008 was just under £55,000, about 12 times higher than that of the bottom 10%, who had an average income of £4,700.

This is up from a ratio of eight to one in 1985 and significantly higher than the average income gap in developed nations of nine to one.

However, the report makes clear that even in countries viewed as „fairer“ – such as Germany, Denmark and Sweden – this pay gap between rich and poor is expanding: from five to one in the 1980s to six to one today. In the rising powers of Brazil, Russia, India and China the ratio is an alarming 50 to one.

The OECD warned about the rise of the top 1% in rich societies and the falling share of income going to poorer people.

This trend is especially pronounced in Britain, where the dramatic rise in inequality has been fuelled by the creation of a super-rich class. The share of the top 1% of income earners increased from 7.1% in 1970 to 14.3% in 2005.

Just prior to the global recession, the OECD says the very top of British society – the 0.1% of highest earners – accounted for a remarkable 5% of total pre-tax income, a level of wealth hoarding not seen since the second world war.

At the same time as accumulating great wealth, the rich have seen tax rates fall. The top marginal income tax rate saw a marked decline: dropping from 60% in the 1980s to 40% in the 2000s, before its recent increase to 50%.

The buildup of riches was partly economic: the higher-paid worked longer. Since the mid-1980s, annual hours of low-wage workers remained stable at around 1,050, while those of high-wage workers rose almost 10% to 2,450 hours.

But the concentration of resources in the highest rungs of Britain’s society was also a social phenomenon. Unlike in many other nations, the earnings gap between the wives of rich and poor husbands in Britain has grown from £3,900 in 1987 to £10,200 in 2004.

Although the OECD figures stop just before the recession, experts say the trend continued into the downturn. Paul Johnson of the Institute for Fiscal Studies said that in the UK „2009/10 incomes went up incredibly fast (at the top end) possibly because the new top rate of tax was coming in“.

Johnson pointed out that the growth in the City and bankers‘ bonuses had played a large part in creating this divide. „If you look at who is racing away then half the top 1% of high earners work in financial services.“

He said that Mark Stewart, a professor of economics at Warwick University, had published work showing that in the past 12 years „almost all the increase in inequality has come from financial services“.

Such disparities, the thinktank said, could not be blamed on globalisation but a trend in labour and social policies in rich nations that had helped the wealthy.

Although spending on public services in Britain had gone up in the past decade, at the same time benefits to the poor were worth less and taxes were less redistributive.

The effect has been a dramatic weakening in the state’s ability to spread wealth throughout society. From the mid-70s to mid-80s the tax-benefit system offset more than 50% of the rise in income inequality. It now manages just 20%.

It was a paradox, said the OECD, that such moves had not been grounded in popular support. Michael Förster, author of the OECD’s Divided We Stand report, said: „In almost all countries apart from the US and Japan more than 50% of people say that inequality is too high. In the UK it is 65% so I think everyone agrees it is a problem.“

To rebalance society „for the 99%“ the authors call for a series of measures focusing on „job creation“, „increased redistributive effects“ and „freely accessible and high-quality public services in education, health and family care“.

When it was pointed out that British government plans would instead lead to public sector job cuts of 710,000, more child poverty and a hike in university fees, the OECD’s authors said debt was an issue for governments but urged them „not to cut social investments“.

Monika Queisser, the head of OECD’s social policy division, said: „The OECD agreed that fiscal consolidation was important. We want to governments to see social expenditures as investment so we would want to see, say, early years [funding] rising.“

http://www.guardian.co.uk/society/2011/dec/05/income-inequality-growing-faster-uk

Die Euro-Krise wird sich immer mehr zu einem Problem für die Real-Wirtschaft. So kletterte in Frankreich die Arbeitslosigkeit auf den höchsten Stand seit fast zwölf Jahren.

Nach amtlichen Angaben waren im Oktober mehr als 2,8 Millionen Menschen ohne Beschäftigung, 4,9 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Gegenüber September betrug der Zuwachs 1,2 Prozent.

Die Arbeitslosigkeit dürfte das Hauptthema im herauf ziehenden Präsidentschaftswahlkampf sein.

http://de.euronews.net/2011/11/28/arbeitslosgkeit-in-frankreich-zieht-immer-mehr-an

DGB ruft zu Demonstration für soziales Europa und Regulierung der Finanzmärkte auf

Kassel. Der DGB Nordhessen ruft für den 9. Dezember zu einer Demonstration in Kassel auf. Unter dem Motto „Banken in die Schranken“ wollen die Gewerkschaften für ein solidarisches Europa und eine striktere Regulierung der Banken und Finanzmärkte demonstrieren. „Wir stehen zur Solidarität mit Griechenland und die Rettung des Euro, unserer gemeinsamen Währung. Diese Rettung darf aber nicht in erster Linie eine Bankenrettung sein, sondern muss Arbeitnehmer, Erwerbslose und Rentner vor den Krisenfolgen schützen“, sagte der Vorsitzende des DGB Nordhessen Michael Rudolph.

Kritik an Bedingungen des ESFS
Die Gewerkschaften kritisieren die Bedingungen des Eurorettungspakets wie Privatisierungen, Rentenkürzungen und Einschnitte in die Tarifautonomie. Nach Ansicht des DGB sollten die Finanzhilfen vielmehr mit Bedingungen wie der höheren Besteuerung von Vermögen und Erbschaften einhergehen und die Einführung der Finanztransaktionsteuer in der Europäischen Union zu Voraussetzung haben. „Schließlich müssen die Folgen der Krise auch bezahlt werden und dafür müssen die Verursacher zur Kasse gebeten werden“, forderte der Gewerkschafter. Außerdem plädiert der DGB für eine striktere Regulierung der Finanzmärkte, um Krisen in der Zukunft zu vermeiden.

 Hände weg vom VW-Gesetz
Aus aktuellem Anlass wird auch die erneute Klage der Europäischen Kommission gegen das VW-Gesetz Thema der Demostration sein. “Anstatt die Finanzmärkte zu regulieren attackiert die Kommission schon wieder Arbeitnehmerrechte. Das ist ein Skandal”, ärgert sich Michael Rudolph. Das sogenannte VW-Gesetz schreibt bei grundlegenden Entscheidungen eine notwendige Mehrheit von 80 Prozent im Aufsichtsrat vor. Damit schützt es die Beschäftigten vor einseitigen Managemententscheidungen wie Standortschließungen oder Verlagerungen, da die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat immer zustimmen müssen.Michael Rudolph: “Wir fordern mehr Demokratie im Betrieb, wir fordern: VW-Gesetz für alle!” (red)

http://www.seknews.de/2011/12/02/dgb-ruft-zu-demonstration-fur-soziales-europa-und-regulierung-der-finanzmarkte-auf/?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+seknews+%28SEK-News%29&utm_content=FaceBook

Brüssel. Die EU will die Macht der führenden Wirtschaftsprüfer radikal beschneiden. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier legte am Mittwoch in Brüssel ein Gesetzespaket vor, mit dem vor allem die Dominanz der „Großen Vier“ – KPMG, Ernst & Young, Deloitte und PwC – gebrochen werden soll.

Nach Auffassung der Kommission zeigte die Finanzkrise, dass die Qualität der Bilanzprüfungen zu wünschen übrig lässt. Es komme zu Interessenkonflikten bei langjähriger Zusammenarbeit großer Unternehmen mit ein und demselben Prüfkonzern. „Wir müssen das Vertrauen in die Abschlüsse von Unternehmen wiederherstellen“, erklärte Barnier.

Nach dem Entwurf wären die Marktführer gezwungen, das Prüfungsgeschäft vom Beratungsgeschäft zu trennen. Beide Dienstleistungen dürften nicht unter dem selben Namen angeboten werden und zum selben Netzwerk gehören. Unternehmen dürfen nicht mehr festlegen, dass eine der vier großen Gesellschaften die Prüfung vornehmen muss. Nach mindestens sechs Jahren muss ein Unternehmen einen anderen Prüfer beauftragen. Die Frist kann auf neun Jahre verlängert werden, wenn zwei Gesellschaften die Bilanz prüfen.

Die EU will damit einen Anreiz schaffen, zwei Firmen Mandate zu erteilen. Damit sollen kleinere Konkurrenten eine Chance bekommen, mehr Aufträge zu ergattern. Von der ursprünglich geplanten Pflicht zur Beschäftigung von zwei Prüfern sah die Kommission ab.

KPMG, Ernst & Young, Deloitte und PwC prüfen praktisch alle großen Konzerne weltweit. In manchen EU-Ländern beherrscht sogar nur einer der Großen den Markt. In die Kritik sind sie vor allem während der Finanzkrise geraten: Sie hatten die Bilanzen vieler Banken testiert, die wenig später vom Steuerzahler gerettet werden mussten – Ernst & Young etwa war bei der Pleite-Bank Lehman Brothers an Bord.

Wirtschaftsprüfer unter Druck
„The Big Four“

„The Big Four“ werden sie genannt, die vier großen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsunternehmen, wie man sie exakt bezeichnet. Nun will die EU ihre Macht beschränken. Die vier großen Wirtschaftsprüfer beschäftigen allein in Deutschland über 30.000 Mitarbeite

Die großen Wirtschaftsprüfer waren gegen den Entwurf schon im Vorfeld Sturm gelaufen. Am Finanzplatz London wird bereits vor einer Übernahme der Marktführer etwa durch die aufstrebende Konkurrenz aus China gewarnt. Das deutsche Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) bezeichnete Barniers Pläne als „Irrweg ohne Beispiel“.

Die Pläne müssen noch vom Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten abgesegnet werden. Widerstand wird vor allem aus Großbritannien erwartet, wo die „großen Vier“ ihren Europasitz haben. Die EU-Kommission erwartet, dass nach Gesetzgebung und Umsetzung in nationales Recht die neuen Regeln in drei bis fünf Jahren greifen werden.

Pause im Streit um «schädliche Steuerpraktiken»
Italien scheitert der EU mit harter Linie gegen die Schweiz – vorerst
Am Treffen der EU-Finanzminister: Italiens neuer Regierungschef – und gleichzeitig Finanzminister –
Italien hat die EU-Finanzminister nicht für eine aggressivere Gangart gegen die Schweiz bei der Holding-Besteuerung gewinnen können. Die Briefkastenfirmen dürften die Diplomaten aber weiter beschäftigen.

(sda) Die EU-Finanzminister sind sich uneinig, wie mit der Schweiz im Dialog über sogenannte schädliche Steuerpraktiken verfahren werden soll. Die Verabschiedung eines Berichts zur Umsetzung des EU-Verhaltenskodexes zur Unternehmensbesteuerung scheiterte.

Der Bericht zu EU-internen Steuerpraktiken sowie zur Diskussion mit Drittstaaten erscheint halbjährlich und wird meist diskussionslos im Finanzministerrat verabschiedet. Am Mittwoch wurde das Traktandum aber im letzten Moment von der Agenda genommen, weil es keine Einigung auf einen Kompromissvorschlag gab, wie die Nachrichtenagentur SDA aus Sitzungskreisen erfuhr.
Tremontis Erbe

Italien äusserte Vorbehalte bezüglich der Formulierungen zur Schweiz im Bericht und in den Schlussfolgerungen. Rom wollte – allerdings noch unter der Ägide des vorherigen Finanzministers Giulio Tremonti – gegenüber der Schweiz eine schärfere Gangart einschlagen.

Bis am Dienstagabend wurde mit Italien zwar ein Kompromiss ausgehandelt. Dieser hätte die Schlussfolgerungen im Bezug auf Drittstaaten wie die Schweiz verschärft. Aus Ratskreisen verlautete, dass es dazu aber keine Einigkeit unter den 27 EU-Finanzministern gegeben habe.

Der Experten-Bericht der EU zieht Bilanz über die EU-internen Fortschritte bei der Bekämpfung «schädlicher Steuerpraktiken». Er enthält zusätzlich eine Zwischenbilanz über den Stand der Gespräche mit der Schweiz.

Die Schweiz und die EU-Kommission diskutieren seit rund einem Jahr über die «Parameter und Kriterien» für einen Dialog über den Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung. Von Schweizer Seite hiess es, sobald mit den Kantonen eine «nicht diskriminierende Lösung» gefunden sei, werde der Bundesrat über weitere Schritte entscheiden.
Subventionen durch Briefkästen?

Der Steuerstreit zwischen der EU und der Schweiz schwelt schon lange. Schon 2006 störte sich die EU-Kommission daran, dass einzelne Kantone Holdings begünstigen, die nicht in der Schweiz aktiv sind. Es handle sich um «staatliche Beihilfen», welche den Wettbewerb verfälschten, wurde aus Brüssel moniert. Die Schweiz wies diesen Vorwurf zurück.

Der letzte Kompromissvorschlag der Schweiz datiert vom Herbst 2009. Damals wurde die Abschaffung der Briefkastenfirmen angekündigt. Zudem sollten Holding-Gesellschaften künftig keine wirtschaftlichen Aktivitäten mehr ausführen dürfen, die nicht typische Holding-Tätigkeiten sind.

Weiter sollten Holdings erstmals auch auf kantonaler Ebene besteuert werden. Bei den gemischten Gesellschaften sollte eine Mindestbesteuerung auf kantonaler Ebene sichergestellt werden. Der Kompromissvorschlag wurde zwar von der EU-Kommission gutgeheissen, scheiterte aber dann am Widerstand einiger Mitgliedstaaten, unter anderem Italiens.

«Widerspruch»: Demokratie, Macht, Energiewende

Wenn die Angst das Lager wechselt

Von Kaspar Surber

Der neue «Widerspruch» beschäftigt sich mit dem arabischen Frühling, speziell mit der Rolle der Frauen im Aufstand. Und bringt, nach der Atomkatastrophe von Fukushima, ökologische und soziale Überlegungen zusammen.

Zum 60. Mal liegt der «Widerspruch» vor, der Sammelband zur sozialistischen Politik. Ein Jubiläum, das die Redaktion um Pierre Franzen gewohnt zurückhaltend bekannt gibt: Die Gedanken sollen sich selbst aus den eng bedruckten Seiten entfalten. Die Lektüre des «Widerspruch» braucht ihre Zeit, aber gerade darin liegt die Stärke der Halbjahresschrift: dass sie die Entwicklung mit einer Verzögerung beschreibt. Die entscheidenden Punkte, die Unterlassungen wie die Möglichkeiten linker Politik werden sichtbar, auch in der aktuellen Nummer: Sie handelt von Schranken und Kippmomenten, vom Umbruch und von der Um­gestaltung. Im Fokus stehen der arabische Frühling sowie die Energiewende nach Fukushima.

Schutzlos auf den Tahrir-Platz

Der Soziologe Samir Amin erinnert daran, wie der Protest in Ägypten in den ersten Tagen auf eine «ungeheuerliche Gewalt» stiess und mehr als tausend Tote gefordert hat. Am Anfang der Demokratiebewegung standen drei Gruppen: die Jungen, die radikale Linke, die Mittelklasse. Ihr Mut war es, der Millionen auf die Strasse brachte: «Die Angst wechselte ins andere Lager» – mit dieser schönen Formulierung beschreibt Amin den Umbruch. Allerdings bleibt er skeptisch, ob die Veränderung anhalten wird, speziell nach den Wahlen, die Ende November beginnen: «Wie man weiss, sind Wah­len, ob sie in Ägypten oder anderswo stattfinden, nicht das beste Mittel, um eine Demokratie zu errichten. Vielmehr dienen sie dazu, der Dynamik einer fortschreitenden Demokratisierung ein Ende zu bereiten.» Die USA würden die Muslimbrüder unterstützen, obwohl die Förderung eines islamischen Regimes im Widerspruch zur amerikanischen Kriegspolitik steht. Die Muslimbrüder, unter ihnen einflussreiche Unternehmer, garantierten wirtschaftspolitische Kontinuität. Amin bleibt stark einem antiimperialistischen Denken verhaftet, daraus zieht er auch seine Hoffnung: dass der Frühling für die Völker des Südens mit dem Herbst des Finanzkapitalismus zusammenfällt.

Näher bei den handelnden Menschen und ihrem Eigensinn ist die ägyptische Rechtsanwältin Nehad kratisciAbu el-Komsan. In einem Gespräch gibt sie Auskunft über die Rolle der Frauen im Aufstand. So etwa wurde die Facebook-Seite «Jugendbewegung des 6. April» 2005 von einer Frau aus Solidarität mit streikenden Textilarbeiterinnen lanciert. Auch eine eindringliche Videobotschaft für den «Tag des Zorns» am 25. Januar 2011 stammte von einer Frau. Asmaa Mahfouz, zwanzig Jahre alt, gab bekannt, dass sie als Frau auf den Tahrir-Platz gehe. Die Männer müssten sie nicht beschützen, sondern mit ihr zusammen die Zukunft Ägyptens sichern. Bis zu diesem Zeitpunkt, so el-Komsan, hielt die familiäre Schutzbehauptung die Frauen von der Politik ab – diese Schranke wurde an «jenem Freitag, als die Revolution tatsächlich begann» durchbrochen: Hundertausende Frauen nahmen an der Demonstration teil. Trotzdem blickt die Frauenrechtlerin skeptisch in die Zukunft: «Wenn Ägypten befreit ist, sind auch die Frauen frei», meinten viele Feministinnen. Doch für ihre Rechte müssten sie weiter spezifisch kämpfen.

Green New Deal und Suffizienz

Wie weit die Umgestaltung geht, fragen auch die Beiträge zur Energiewende. Der Ökonom Elmar Altvater und der grüne Politiker Balthasar Glättli beschäftigen sich mit den Versprechen des Green New Deal. Für Altvater sind viele Kipppunkte in Sichtweite, an denen das fossile und nukleare Energieregime in eine neue Ordnung umschlägt. Wer als Ausweg aber einen Green New Deal propagiert, wird von Altvater an das Buch «The Great Transformation» von Karl Polanyi erinnert, das die Entbettung der Marktwirtschaft aus der Gesellschaft im 18. Jahrhundert beschreibt. Damit entstand der Wachstumszwang, der sich in der Kapitalakkumulation ausdrückt. Für Altvater ist es deshalb theoretisch inkonsequent, einen grünen Gesellschaftsvertrag zu fordern, ohne mit dem Marktmechanismus Schluss zu machen. Auch anderen Überlegungen zum Green New Deal wie technologischen Innovationen oder Konsumverzicht erteilt er eine Absage: Ein Lohnverzicht etwa verringert die Arbeitskosten, das Wachstum wird dadurch vielmehr angeregt: «Ein solares Energiesystem wird nur funktionieren, wenn die Ökonomie solidarisch organisiert wird, wenn also die in der institutionellen Struktur der Kapitalakkumulation verankerten Sachzwänge der Profiterzielung und des Wachstums überwunden werden.»

Balthasar Glättli nimmt auf Elmar Altvater Bezug und propagiert die Suffizienz: die Frage, was genug ist für ein gutes Leben. Auch diese könne nicht bei der positiven Formulierung eines massvollen Verhaltens stehen bleiben, sondern müsse die Verteilungskrise ernst nehmen. Ausserdem packend zu lesen: Oliver Fahrnis Recherche «Tschernofukumühlebyl» oder wie weit die Schweizer Atomlobby mit ihrer Kampagne für neue Atomkraftwerke war – und wie sie weiter daran festhält.

Eine mögliche Verbindung zwischen den Welten findet sich im Beitrag der Soziologin Anni Lanz über Sans-Papiers im Care-Bereich. Die MigrantInnen erscheinen als AgentInnen, die die Lücken in der Sozialversorgung im Aufenthaltsland (mit unterbezahlter Pflege) wie auch an ihrem Herkunftsort (mit Geldüberweisungen) schliessen. Lanz empfiehlt eine erweiterte Einwanderungspolitik statt die Regularisierung einzelner Härtefälle.

HARTZ IV
Deutschland spart beherzt – bei den Arbeitslosen

Die Schwarz-gelbe Koalition und die Bundesagentur kürzen die Förderung für Arbeitslose deutlich: Die Mittel sinken stärker als die Erwerbslosigkeit in Deutschland.

Bundesagentur für Arbeit in Leipzig.

Bundesagentur für Arbeit in Leipzig.
Foto: dapd

Mit dem Sparen kommt die Bundesregierung trotz vollmundiger Ankündigungen und forscher Ermahnungen an andere Länder nicht so recht voran. Im Gegenteil. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wird im kommenden Jahr die Kreditaufnahme deutlich erhöhen. Die Ausnahme von der Regel werden die Arbeitslosen spüren. Da kürzt die Koalition in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) beherzt.

So will die BA nach Informationen der Berliner Zeitung die Ausgaben für die Arbeitsförderung dieses Jahr um 26 Prozent senken. Die Einschnitte treffen Leistungen der beruflichen Weiterbildung und andere Instrumente der Beschäftigungsförderung, auf die Arbeitslose keinen Rechtsanspruch haben, die aber den Weg zurück in eine Beschäftigung ebnen können.

Die günstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt kann diese Einsparungen nicht allein rechtfertigen. Die Zahl der von der BA direkt betreuten Arbeitslosen lag im Oktober 14 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Die Bundesagentur hätte laut ihrem Haushalt sogar mehr Mittel für diese Aufgaben ausgeben können – allerdings rief sie ein Drittel der bewilligten Gelder nicht ab.

Weniger Geld für Eingliederung

Ähnlich sieht es für Langzeitarbeitslose aus. Im Sommer diesen Jahres nahmen gut 65.000 Hartz-IV-Empfänger ohne Job an einer Weiterbildungsmaßnahme teil. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei hervor. Dies waren knapp 23 Prozent weniger als zwölf Monate zuvor. Die Ausgaben gingen um 24 Prozent zurück. Die Zahl der arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger nahm gerade um vier Prozent ab, so dass auch für sie pro Kopf deutlich weniger Geld für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt bereit stand.

„Es ist Unsinn, bei der Weiterbildung und Beschäftigungsförderung zu sparen“, kritisierte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linkspartei, Sabine Zimmermann. Sie warf Union und FDP vor, sie legten für die Banken ein Rettungspaket nach dem anderen auf und sparten dafür bei den Arbeitslosen. „Der Arbeitsmarkt muss krisenfest gemacht werden“, forderte Zimmermann.

Noch hat der konjunkturelle Abschwung den Arbeitsmarkt weitgehend verschont. Denn dieser reagiert gewöhnlich erst verzögert auf fallende und steigende Wachstumsraten. Allerdings verdichten sich die Anzeichen, dass die konjunkturelle Ausnahmesituation mit einer ungewöhnlich günstigen Entwicklung auch bei der Beschäftigung zu Ende geht.

Im Oktober waren bei der Bundesagentur für Arbeit noch rund 500. 000 offene Stellen gemeldet. Dem standen 2,74 Millionen Arbeitslose gegenüber. Experten halten jedoch die tatsächliche Arbeitslosigkeit für deutlich höher, da über eine Million Männer und Frauen ohne Job nicht mitgezählt werden, etwa weil sie an einer Fördermaßnahme teilnehmen.

Gesamtausgaben erhöhen sich

Am heutigen Donnerstag debattiert der Bundestag über den Etat von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Sie hat mit 124,5 Milliarden Euro das mit Abstand größte Budget im Bundeshaushalt 2012 zur Verfügung. Im Vergleich zum Vorjahr sinken die Ausgaben damit gleichwohl nach den schwarz-gelben Plänen um 4,8 Milliarden Euro. Seine Gesamtausgaben will der Bund trotzdem leicht auf 306,2 Milliarden erhöhen.

Die Opposition wirft der Regierung daher vor, von dem schwarz-gelben Sparpaket des Jahres 2010 seien einzig die Sozialkürzungen voll umgesetzt, während andere Posten wie die Finanztransaktionssteuer oder die Brennelementesteuer nicht kämen oder deutlich weniger brächten als gedacht. Die Bundesbank merkte dazu in dieser Woche an: „Mit dem Bundeshaushalt 2012 ist eine merkliche Abkehr von den Konsolidierungsbeschlüssen vom Juni 2010 verbunden.“

http://www.fr-online.de/arbeit—soziales/hartz-iv-deutschland-spart-beherzt—bei-den-arbeitslosen,1473632,11212052.html

Gemeinsame Staatsanleihen

Europa hofft auf Heilung durch Eurobonds

23. November 2011 12:22
  • Artikelbild: Brüssel sucht nach dem Licht, die Krise findet nämlich kein Ende. Eurobonds sollen helfen, doch dafür müsste sich Europa einig sein. - Foto: APA

    Brüssel sucht nach dem Licht, die Krise findet nämlich kein Ende. Eurobonds sollen helfen, doch dafür müsste sich Europa einig sein.


Drei Varianten liegen auf dem Tisch, Deutschland und Österreich stemmen sich gegen die Vergemeinschaftung der Zinsrisken

Brüssel – Die EU-Kommission präsentiert am Mittwoch als mögliche langfristige Maßnahme im Kampf gegen Finanzkrisen drei Varianten von Euro-Bonds. In einem von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso vorgelegten Grünbuch werden die Vor- und Nachteile dieser als „Stabilitäts-Bonds“ bezeichneten gemeinsamen Anleihen der Eurozone aufgelistet.

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Zu den positiven Auswirkungen heißt es in dem 40-seitigen Dokument, derartige Gemeinschaftsanleihen würden insgesamt einen größeren Pool von sicherem Umlaufvermögen bringen. Es würden auch andere Investoren wie Versicherungsgesellschaften oder Pensionsfonds, die zu einem hohen Anteil in Staatsanleihen veranlagt sind, von einem „homogeneren und robusteren Vermögen in Form von Stabilitäts-Bonds profitieren“. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass für die Einführung von Euro-Bonds eine strikte Budgetdisziplin der Staaten notwendig sei. Wenn die Gemeinschaftsanleihen als sichere Veranlagung gesehen werden, würde der Erfolg der Bonds auch durch das höchstmögliche Rating steigen. Ein niedriges Rating hätte negative Auswirkungen auch auf die Bereitschaft von Investoren.

Die drei Varianten, die die EU-Kommission nun vorschlägt, sind folgende:

1. Variante

Eine vollständige Umstellung aller nationalen Staatsanleihen auf Euro-Bonds mit einer gemeinschaftlichen Haftung der 17 Länder der Währungsunion erfordert eine Vertragsänderung. Das Risiko wird als „hoch“ eingestuft, die zeitliche Umsetzung als „lang“. Die Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität sind „hoch“.

2. Variante

Ein teilweiser Ersatz nationaler Anleihen durch Euro-Bonds mit ebenfalls einer gemeinsamen Haftung dürfte auch eine Vertragsänderung nach sich ziehen, das Risiko wird als „mittel“ angeführt, die zeitliche Umsetzung als „mittel bis lang“. Hier schlägt die Kommission vor, dass sich die Länder bis zu einer 60-prozentigen Schuldengrenze über Euro-Bonds finanzieren könnten, oder es werde eine flexible Ausgestaltung vereinbart. Dabei würden ebenfalls 60 Prozent vereinbart, die aber davon abhängen, inwieweit die einzelnen Länder die Anforderungen im Rahmen der wirtschaftlichen Steuerung umsetzen. Verfehlungen würden zu einem geringeren Euro-Bonds-Anteil führen. Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität werden als „hoch“ bewertet.

3. Variante

Ohne Vertragsänderung und in kürzester Zeit implementierbar werden begrenzt gemeinschaftliche Schuldscheine gewertet, wobei jedes Euro-Land anteilig – also nicht gemeinschaftlich – haftet. Die Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität sind „niedrig“.

Verhärtete Fronten

Die Fronten im Richtungsstreit um die Zukunft der Währungsgemeinschaft sind allerdings verhärtet. Von den sechs Triple-A-Ländern gab es aber bisher fast einhellige Ablehnung, lediglich Luxemburg mit seinem Premier und Euro-Gruppen-Vorsitzenden Jean-Claude Juncker äußerte sich positiv.

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hat erst Mittwochfrüh kurz vor der Vorstellung der Euro-Bonds durch die Kommission ihre Ablehnung bekräftigt. Allerdings hatte sie zuletzt ihre strikte Haltung etwas aufgeweicht. Die Nachrichtenagentur AFP zitierte Merkel vom Vortag mit der Aussage, dass die Diskussion über Euro-Bonds verfrüht sei. „Wenn man sie führen muss, wird diese Diskussion am Ende eines Prozesses einer stärkeren europäischen Integration geführt“, so die Kanzlerin.

Diese Haltung vertritt auch Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkzoy. Er sprach sich zwar auch gegen Euro-Bonds aus, doch wären gemeinsame Staatsanleihen eines Tages durchaus vorstellbar. Voraussetzung sei eine weitere Integration der Eurozone.

Österreichs Kanzler Werner Faymann (SPÖ) sowie Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) hatten sich bisher ebenfalls ablehnend geäußert. Faymann meinte zuletzt, dies sei nicht machbar, weil dies Vertragsänderungen erfordere und dies sei ein langwieriger Prozess. Auch die Niederlande und Finnland lehnen Euro-Bonds derzeit ab.

In der EU haben sich die Spitzen von Ratspräsidentschaft und Kommission dafür ausgesprochen. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy zeigte sich aufgeschlossen über die Einführung gemeinsamer Anleihen. Dies könnte bei der Krisenbewältigung helfen. „Es ist kein kurzfristiges Mittel zur Lösung der Schuldenkrise, aber es kann mittelfristig ein Mittel unter anderen für mehr Haushaltsdisziplin im Euro-Raum sein“, sagt Van Rompuy nach einem Treffen mit dem neuen italienischen Regierungschef Mario Monti am Dienstag in Brüssel. Monti hat sich zuletzt ebenfalls für Euro-Bonds ausgesprochen. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso tritt für – wie er es nennt – „Stabilitäts-Bonds“ ein, warnte aber gleichzeitig davor, dass dies „keine Wunderwaffe“ im Kampf gegen die Schuldenkrise sei.

Zinsen steigen

Derzeit zahlen die Euroländer unterschiedlich hohe Zinsraten für ihre Staatsanleihen, wegen der Schuldenkrise unter Druck stehende Länder können sich nur unter hohen Zinsaufschlägen neues Geld an den Finanzmärkten besorgen. Mittwoch früh sind die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen in Belgien weiter gestiegen und wurden mit 5,156 Prozent ausgewiesen. Griechenland wies 28,856 Prozent auf, Portugal fiel leicht auf 11,249 Prozent. Eine Negativentwicklung wies zuletzt auch Italien auf, das schon wieder Richtung 7-Prozent-Marke unterwegs war. In der Früh wurde der Kurs mit 6,924 Prozent angegeben.

Steigerungen wurden auch gegenüber dem Vortag für österreichische zehnjährige Staatsanleihen verzeichnet – auf nunmehr 3,563 Prozent. Frankreich ging ebenfalls leicht auf 3,636 Prozent hinauf, ebenso Finnland (2,668 Prozent) und Deutschland als Klassenprimus (1,946 Prozent). Spanien stieg auf 6,657 Prozent, einen Rückgang verzeichnete neben Portugal noch die Niederlande (2,527 Prozent).

In dem Grünbuch werden die Gesamtschulden der Eurozone mit 7.822 Milliarden Euro Ende 2010 angegeben. Die höchste Verschuldung weist Deutschland mit 2.062 Mrd. Euro auf, die niedrigste Estland mit nur 1 Milliarde Euro. Österreich wird mit einem Staatsschuldenstand von 205,6 Mrd. Euro ausgewiesen.

Euro-Bonds könnten laut EU-Kommission allerdings dazu beitragen, dass beispielsweise für Deutschland mit den niedrigsten Zinssätzen bei einer Gemeinschaftsanleihe eine Verschlechterung zwischen 0,5 und 2,0 Prozent eintreten könnte. Länder mit einem derzeit höheren Zinssatz könnten dagegen profitieren und mit niedrigeren Zinsen rechnen. Einen konkreten Entwurf will die Kommission Anfang nächsten Jahres vorlegen. (APA, Reuters, red, derStandard.at, 23.11.2011)